Ich will den Ballermann-Touri und den Millionr

Utz Claassen, Sie waren mit 14 Jahren, vor mehr als drei Jahrzehnten, zum ersten Mal auf Mallorca. Wann sind Sie erstmals zum Fuball gegangen? Utz Claassen: Erst vor etwa zehn Jahren, nachdem ich mich durchgefragt hatte. Im Hotel wusste man nicht einmal, wo und wann der eigene Erstligaverein spielt.Geschweige denn, wie ich an eine Karte

Utz Cla­assen, Sie waren mit 14 Jahren, vor mehr als drei Jahr­zehnten, zum ersten Mal auf Mal­lorca. Wann sind Sie erst­mals zum Fuß­ball gegangen?

Utz Cla­assen: Erst vor etwa zehn Jahren, nachdem ich mich durch­ge­fragt hatte. Im Hotel wusste man nicht einmal, wo und wann der eigene Erst­li­ga­verein spielt. 
Geschweige denn, wie ich an eine Karte komme. Ich musste mir letzten Endes einen Miet­wagen besorgen und auf eigene Faust hin­fahren. Das macht man natür­lich nur als Hard­core-Fan.

Woran erin­nern Sie sich, wenn Sie an Ihr erstes Spiel denken?

Utz Cla­assen: Damals spielte der junge Samuel Eto’o im Sturm, er war noch völlig unbe­kannt. So einen direkten, gerad­li­nigen Angreifer hatte ich noch nie gesehen. 
Zurück in Deutsch­land sprach ich zufällig mit einem Ent­schei­dungs­träger eines großen Bun­des­li­ga­ver­eins. Er suchte gerade einen Mit­tel­stürmer – und ich emp­fahl ihm Eto’o.

Mit wel­chem Ergebnis?

Utz Cla­assen: Man hat sich sei­ner­zeit gegen den Transfer ent­schieden, weil Eto’o fünf Mil­lionen Ablöse kosten sollte. Kurz darauf kaufte ihn der FC Bar­ce­lona – dem Ver­nehmen nach für 43 Mil­lionen. Wann immer ich diesen Mann heute treffe, sage ich im Spaß zu ihm: Sie haben 38 Mil­lionen ver­un­treut, als Sie nicht auf mich hörten.“

Im November 2010 sind Sie als Investor bei Real Mal­lorca ein­ge­stiegen, haben etwas mehr als zehn Pro­zent über­nommen. Wie schreitet die Sanie­rung voran?

Utz Cla­assen: In dem Geschäfts­jahr, bevor ich ein­ge­stiegen bin, hatte der Klub einen Ver­lust von 16 Mil­lionen Euro gemacht. Im letzten konnten wir hin­gegen einen Gewinn von elf Mil­lionen aus­weisen, eine gera­dezu sen­sa­tio­nelle Ent­wick­lung. Wir sind damit einer der wenigen Ver­eine in Spa­nien, die jemals ein posi­tives Ergebnis erwirt­schaftet haben.

Wie ist Ihnen das gelungen?

Utz Cla­assen: Wir haben überall im Verein gespart, sowohl in der Ver­wal­tung als auch im sport­li­chen Bereich. Wir haben ganz ein­fach gesagt: Wir geben nicht mehr Geld aus, als wir haben und uns leisten können. Wir wollten zeigen, dass man nicht nur als Fer­rari“ in der spa­ni­schen Liga sport­lich über­leben kann.

Sie spre­chen aus Ihrer Zeit bei Seat Spa­nisch, waren damals Haupt­sponsor des spa­ni­schen Fuß­ball­ver­bandes und der Natio­nal­mann­schaft. Zu wel­chem Thema haben Sie bis­lang Ihren längsten Monolog gehalten bei der mon­täg­li­chen Ver­wal­tungs­rats­sit­zung des RCD Mal­lorca?

Utz Cla­assen: Bei der Prä­sen­ta­tion meiner Stra­tegie zur Inter­na­tio­na­li­sie­rung habe ich sicher­lich am längsten in einem Stück geredet, musste allein 70 Schau­bilder erklären. Ich war wirk­lich positiv über­rascht, dass es bei den anderen Ver­wal­tungs­rats­mit­glie­dern im Grunde keine Bedenken oder Wider­stände gab. Die Mal­lor­quiner unter­schätzen näm­lich manchmal die ein­zig­ar­tigen Stärken und Chancen ihrer Insel – obwohl man von hier aus inner­halb von etwa zwei Stunden zu fast jeder wich­tigen Stadt in Europa gelangt.

Damit wir es einmal richtig ver­stehen: Warum haben Sie geschätzte 500.000 Euro Pri­vat­ver­mögen in einen Klub gesteckt, der mit 60 Mil­lionen ver­schuldet ist?

Utz Cla­assen: RCD Mal­lorca hat ein unglaub­li­ches Mar­ken­po­ten­zial. Dem FC Bar­ce­lona ist es auch erst gelungen, an Real Madrid vor­bei­zu­ziehen, als er von einer kata­la­ni­schen zu einer glo­balen Marke wurde, ein mehr als 30-jäh­riger Pro­zess. Als ich 1977 in Lloret de Mar Urlaub machte, war Barça ins­be­son­dere in Kata­lo­nien beliebt, aber Real Madrid war nach wie vor national domi­nant. Unser Ziel ist es, von einer mal­lor­qui­ni­schen Marke zu einer pan­eu­ro­päi­schen zu werden. Aber das ist ein Pro­zess von min­des­tens 10 Jahren. Der Club ist aller­dings heute sicher schon deut­lich mehr wert als vor einem Jahr.

Wer hat sich denn bis­lang für den Klub inter­es­siert?

Utz Cla­assen: Primär die 400.000 Men­schen in der Insel­haupt­stadt Palma. Wir haben hier aber jedes Jahr zehn bis zwölf Mil­lionen Tou­risten. Wenn jeder zehnte in seinem Urlaub einmal zum Fuß­ball ginge, müssten wir die Kapa­zität des Sta­dions schon fast ver­drei­fa­chen. Und wenn nur jeder fünf­zigste käme, wäre das Sta­dion immer voll.

Wer wäh­rend der Saison auf die Insel kommt, kann jetzt die Höhlen von Porto Cristo buchen und ein Spiel in der Pri­mera Divi­sion.

Utz Cla­assen: Wir haben gerade eine Koope­ra­tion mit TUI unter­zeichnet, dem wich­tigsten Rei­se­ver­an­stalter der Welt und auf der Insel. Die Tou­risten werden jetzt sys­te­ma­tisch über die Rei­se­leiter infor­miert. Es gibt ver­schie­dene Pakete, vom ein­fa­chen Ticket mit Transfer bis hin zum VIP-Package mit Begleit­pro­gramm. Der Tou­rist muss sich um nichts mehr küm­mern. Das Angebot wird an ihn her­an­ge­tragen, und er braucht nur noch ja“ sagen. Die Hürden, wie ich sie damals erlebte, sind damit weg.

Wie groß ist das Poten­zial wirk­lich? Die Deut­schen kommen doch meis­tens außer­halb der Fuß­ball-Saison auf die Insel. Und das letzte Heim­spiel 2011/12 findet bereits am 6. Mai statt.

Utz Cla­assen: Zuge­geben, wir ver­lieren die Monate Juni und Juli. Aber auch von August bis Mai kommen etliche Mil­lionen Men­schen. Und wir haben viele, die auch nur mal für ein Wochen­ende anreisen. Wenn man sich am Bal­ler­mann umschaut, sieht man sogar über­pro­por­tional viele Men­schen, die ver­mut­lich Fuß­ball-affin sind.

Mal­lorca wehrt sich vehe­ment gegen das Bal­ler­mann-Image. Jetzt kommen Sie und wollen die Bal­ler­männer ins Sta­dion bringen?

Utz Cla­assen: Ich will aus­nahmslos alle ins Sta­dion bringen, vom Bal­ler­mann bis zum Mul­ti­mil­lionär. Die Urlauber hier bilden einen Quer­schnitt der Gesell­schaft. Gerade das macht Mal­lorca so inter­es­sant. Nach Mal­lorca kommt der ein­fache Azubi genauso wie die Familie all-inclu­sive im 3‑S­terne-Hotel oder der Olig­arch, der am Rande des Tra­m­un­tana-Gebirges in einem Luxus­an­wesen resi­diert. Unser Fokus liegt anfäng­lich auf Arenal, Paguera und Alcudia. Wir planen für unsere Super-VIPS aber bereits Heli­ko­pter­trans­fers, von der Finca direkt zum Sta­dion.

Ist es für Urlauber rea­lis­tisch, Karten für die Spiele gegen die Bran­chen­führer zu bekommen, im Januar gegen Real Madrid und im März gegen den FC Bar­ce­lona?

Utz Cla­assen: Die Kapa­zität des Sta­dions ist begrenzt, aber wir haben auch für diese Spiele Kar­ten­kon­tin­gente für Tou­risten reser­viert.

Wel­chen Effekt erwarten Sie sich vom Zustrom der Tou­risten?

Utz Cla­assen: Mit einem gemischten Publikum wären wir für inter­na­tio­nale Spon­soren und Fern­seh­sender attrak­tiver. Und warum soll der Mal­lorca-Urlauber eigent­lich immer nur ein Trikot von Bar­ce­lona oder Madrid kaufen? Wir haben hier außerdem den dritt­größten Flug­hafen Spa­niens. Und keiner hat so viele Ver­bin­dungen nach Deutsch­land und Eng­land wie unserer.

Wie häufig sind Sie inzwi­schen auf Mal­lorca?

Utz Cla­assen: Ich suche gerade eine Stadt­woh­nung in Palma, logis­tisch günstig gelegen. Ich komme immer mon­tags zur Sit­zung nach Palma – und ich habe in der ganzen letzten Saison nur ein Heim­spiel ver­passt. Dafür habe ich aller­dings auch eine gute Ent­schul­di­gung: Ich war mit unserem Sport­di­rektor Serra Ferrer zeit­gleich bei Han­nover 96 gegen den FC Bayern. Wir haben einen Bayern-Spieler beob­achtet.

Breno kommt dann aber erst in der Win­ter­pause?

Utz Cla­assen: Ein Tages­ord­nungs­punkt Breno ist im Ver­wal­tungsrat zur­zeit nicht vor­ge­sehen. Breno hat aktuell ver­mut­lich ganz andere Pro­bleme.

Ihre Visionen 2016“ ent­halten 126 Maß­nahmen. Inwie­fern über­for­dern Sie Ihren Klub manchmal mit Ihrem Enga­ge­ment?

Utz Cla­assen: Ein guter Manager for­dert sein Team maximal, ohne es zu über­for­dern. Ich bin hier zudem kein Manager, son­dern Investor… Wenn es nach mir ginge, würde ich jede dieser 126 Maß­nahmen lieber ges­tern als heute umge­setzt haben. Das ist mit unserem begrenzten Per­sonal und unseren begrenzten Res­sourcen aller­dings nicht mög­lich. Schon mit der Sprache gibt es immer wieder Pro­bleme. Die wenigsten Mit­ar­beiter spre­chen flie­ßend Eng­lisch oder Deutsch. Aber sie sind enga­giert und moti­viert.

Als Sie ein deut­sches Wirt­schafts­ma­gazin nach einem Heim­spiel foto­gra­fieren wollte, soll eine Mit­ar­bei­terin gesagt haben: Sorry, zu dunkel. Das Flut­licht werde exakt drei Minuten nach Abpfiff abge­schaltet: Sie wissen doch, wir sind pleite.“

Utz Cla­assen: Da hat offenbar eine Mit­ar­bei­terin am Telefon Unsinn erzählt oder einen Scherz machen wollen. Intern wurde die Aus­sage in dieser Form zudem bestritten. Wie auch immer: Fakt ist, dass wir das Flut­licht erst knapp eine Stunde nach dem Spiel abschalten.

Im Sommer war­teten Sie seit einem halben Jahr auf die Geneh­mi­gung für einen Kin­der­hort im Sta­dion. Ist diese inzwi­schen erteilt worden?

Utz Cla­assen: Mit dem Thema sind wir immer wieder an Grenzen gestoßen. Damit es schneller geht, habe ich jetzt gesagt: Ich zahle den Kid´s Club“ selbst. Und zur Not schicke ich auch noch meine eigenen Hand­werker. Manchmal könnte tat­säch­lich alles etwas schneller gehen.

Ihr bis­lang bekann­tester Mit­ar­beiter, Trainer Michael Lau­drup, ist Ende Sep­tember zurück­ge­treten; viele sagen: der ein­zige mit euro­päi­schem Niveau. Wie geht es jetzt weiter?

Utz Cla­assen: Mit Ver­laub: Ich emp­finde den Abgang von Michael Lau­drup nicht als Ver­lust. Er ist sicher ein viel­spra­chiger, intel­li­genter, gebil­deter, sym­pa­thi­scher Typ, war ein großer Spieler. Aber er hat immer wieder Zweifel an der Qua­lität der Mann­schaft geäu­ßert oder erkennen lassen. Mit einem Trainer, der seiner Mann­schaft ver­traut, sind wir nach meiner Über­zeu­gung besser auf­ge­stellt.

Welche Spieler machen Ihnen denn Mut?

Utz Cla­assen: Viele. Unser neuer Innen­ver­tei­diger Chico etwa ist für mich eine sehr posi­tive Über­ra­schung, und die jungen Spieler wie Tejera, Per­reira oder Nsue haben rie­siges Poten­zial. Diese Talente brau­chen Selbst­be­wusst­sein, Dis­zi­plin und Sta­bi­lität. Die Mann­schaft hat ab dem Zeit­punkt wech­sel­haft gespielt, an dem Lau­drup erst­mals Zweifel durch­bli­cken ließ. Ich glaube aber, sie hat große Per­spek­tive.

Mit wel­chem Spieler haben Sie sich außerdem noch befasst?

Utz Cla­assen: Bei Owen Har­gre­aves fehlte Michael Lau­drup viel­leicht etwas der Mut, nach den vielen Ver­let­zungen des Ex-Bayern- und Ex-Man­United-Spie­lers. Har­gre­aves hätte nach meiner Ein­schät­zung ein ganz span­nendes Thema sein können, weil er im Grunde ein Welt­klasse-Spieler ist und wir mit ihm viele Tou­risten hätten anlo­cken können, eng­li­sche und deut­sche.

Frings, Klose, Har­gre­aves – und dann dieses alt­ehr­wür­dige Sta­dion! Sie würden am liebsten ein neues bauen. Was kostet Ihre Mul­ti­funk­ti­ons­arena?

Utz Cla­assen: Das hängt davon ab, was man drum herum pake­tiert: Ein­kaufs­zen­trum, Hotel, Schwimmbad, Alters­heim oder Dis­ko­thek. Wir haben uns die Sta­di­on­pro­jekte etwa in Basel und Bern sehr genau ange­schaut. Ich bin zuver­sicht­lich, dass wir bis zum Klub­ju­bi­läum 2016 ein neues Sta­dion haben werden. Wir brau­chen eine Arena, die inter­na­tio­nalen Maß­stäben gerecht wird.

Die Nach­wuchs­ab­tei­lung koope­riert inzwi­schen mit der von Han­nover 96.
Erfolg­reich?

Utz Cla­assen: Eine wich­tige Posi­tion soll dabei Vale­rien Ismael ein­nehmen, der mehr­spra­chige Nach­wuchs­ko­or­di­nator von 96. Dass das Poten­tial dieser Zusam­men­ar­beit noch nicht aus­ge­schöpft wurde, ist haupt­säch­lich ein sprach­li­ches Pro­blem unse­rer­seits. Wir können ja nicht ver­langen, dass Han­no­vers Jugend­trainer wegen uns Mal­lor­quin lernen. Aber ich bin ganz sicher, dass beide Seiten und auch die Fans beider Clubs an dieser Koope­ra­tion noch viel Freude haben werden.

Die Klub-Home­page gibt es neu­er­dings auch auf Deutsch, Eng­lisch und Japa­nisch. Wie lange wird es dauern, bis Ihr maroder Klub in der Cham­pions League spielt?

Utz Cla­assen: Der Club ist nicht mehr marode, er hat, wie ich schon sagte, einen Gewinn erwirt­schaftet, und er spielt in der Pri­mera Divi­sion, der Liga des Welt­meis­ters. Das Pro­jekt ist auf zehn Jahre ange­legt, mit großem Wert­stei­ge­rungs­po­ten­zial. Spä­tes­tens 2020 sollte RCD Mal­lorca eine bekannte euro­päi­sche Marke sein. Wir sind auf einem guten Weg. Ich bin mir sicher, dass man rück­bli­ckend sagen wird: Der TUI-Ver­trag war die wich­tigste der 126 Maß­nahmen.

In Deutsch­land gab es gerade einen Fuß­ball-Pro­zess, den Sie gewonnen haben. Dürfen Sie in Spa­nien Frei­karten an Poli­tiker ver­schenken?

Utz Cla­assen: In Spa­nien wäre es sogar eine ganz grobe Unfreund­lich­keit und gera­dezu ein gesell­schaft­li­cher Affront, wenn wir die Politik nicht ein­laden würden. Ich war aber auch in Deutsch­land kei­nes­falls der Ein­zige, der das gemacht hat; gerade auch wäh­rend der WM 2006 waren sehr viele Poli­tiker in den Sta­dien. Im Übrigen ist die Staats­an­walt­schaft Karls­ruhe mit ihrer Anklage ja auch gran­dios geschei­tert.

Sie waren bereits Sponsor und Prä­si­dent, jetzt gehören Ihnen zehn Pro­zent eines Klubs. Welche Posi­tion macht am meisten Spaß?

Utz Cla­assen: Alt­prä­si­dent, was ich bei Han­nover 96 bin. Sie werden immer ein­ge­laden, freund­lich behan­delt und tragen keine Ver­ant­wor­tung. Den schwie­rigsten Job hat ein­deutig immer der amtie­rende Prä­si­dent oder Vor­stands­vor­sit­zende. In Frieden gelassen wird man da nur, wenn man alle Spiele gewinnt und der Klub im Geld schwimmt, was bekann­ter­maßen nur äußerst selten vor­kommt. Investor und Ver­wal­tungsrat liegt irgendwo dazwi­schen.


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